Wie begegne ich wilden und weidenden Tieren sicher beim Wandern? gesundwanderer magazin

Sicher wandern: Begegnungen mit wilden und weidenden Tieren

Wenn Ihr gerne wandert, habt Ihr sicherlich schon den einen oder anderen tierischen Beobachter entdeckt. Viele befinden sich beim Bergwandern schnell in Situationen, in denen sich ihre Wege mit Weideflächen kreuzen und in der Wildtiere zu flüchtigen Begleitern werden. Wer diese Begegnungen versteht, bewegt sich sicherer und erlebt seine Touren intensiver. Dieser Beitrag führt euch durch typische Situationen auf Almen und in Mittelgebirgen, erklärt ruhiges Verhalten bei Kühen und anderen Weidetieren, zeigt, wie ihr mit Hund souverän bleibt, und gibt euch praxistaugliche Hinweise, um Steinböcke, Gämsen oder Murmeltiere zu beobachten, ohne zu stören. Alles mit dem Ziel, dass ihr euch frei und achtsam durch die Natur bewegt, die Zeichen der Tiere richtig deutet und am Ende mit starken Bildern im Kopf nach Hause kommt.

Kühe auf der Alm: ruhig bleiben, Zeichen lesen, Raum geben

Kühe prägen viele alpine Wanderwege. Sie sind schwer, stark und zugleich berechenbar, wenn man ihre Bedürfnisse respektiert. Muttertiere schützen ihre Kälber, Jungtiere sind neugierig, ranghohe Tiere beanspruchen Wege oder Schattenplätze. Wenn ihr eine Herde seht, bleibt zunächst stehen und nehmt die Situation wahr. Wo sind Kälber, wo verläuft euer sicherer Bogen, wie viel Platz gibt der Zaun. Sprecht miteinander, senkt den Puls, haltet Stöcke tief und vermeidet hastige Gesten. Ein Abstand von etlichen Metern, bei Kälbern deutlich mehr, sorgt für Ruhe auf beiden Seiten. Geht nie zwischen Kuh und Kalb hindurch, selbst wenn der markierte Weg dort verläuft. Ein kurzer Umweg ist immer klüger als eine Konfrontation.

Unruhe erkennt ihr an klaren Signalen: angelegte Ohren, gesenkter Kopf, Scharren, dichtes Zusammenrücken der Herde. Dann heißt es Abstand vergrößern, nicht starren, seitlich ausweichen. Zäune und Gatter sind Grenzen, die ihr respektiert. Wenn ein Gatter geöffnet ist, schließt es hinter euch, ohne Krach zu machen. Verzichtet auf Futter und Selfies in Tiernähe, denn beides verführt euch zu riskanten Annäherungen. Sollte eine Kuh direkt auf euch zukommen, bleibt seitlich in Bewegung, gebt Raum und behauptet nicht den Weg. Ruhe und vorausschauende Blicke lösen fast jede Situation, bevor sie kritisch wird.

Kuh auf Almwiese oberhalb von Sertig Dörfli, Davos
Kuh bei Sertig Dörfli, Davos. Foto: Michael Kuhn (Wikimedia Commons), Lizenz CC BY 2.0.

Wenn die Herde den Weg blockiert

Ihr habt Zeit, die Tiere haben Platz. Nutzt beides. Wartet einen Moment, beobachtet die Bewegungen und geht dann in einem weiten Bogen an der Herde vorbei. Bleibt als Gruppe zusammen, Kinder an die Hand, Rucksäcke eng am Körper, Stöcke lose aus den Schlaufen. Je natürlicher euer Tempo, desto entspannter bleibt die Situation. Rennt nicht und macht keine schnellen Richtungswechsel. Wenn ihr merkt, dass mehrere Tiere euch fixieren, vergrößert den Abstand weiter und sucht einen alternativen Übergang am Weiderand.

Wandern mit Hund: kurze Leine, klare Signale, eine wichtige Ausnahme

Für Weidetiere ist ein Hund ein potenzieller Feind. Deshalb gilt auf Almen die kurze Leine, am besten so geführt, dass ihr jederzeit seitlich ausweichen könnt. Plant Pausen nicht mitten auf der Weide, sondern am Rand unterhalb des Herdenfokus, damit euer Vierbeiner nicht zum Mittelpunkt des Interesses wird. Trinkt der Hund, dann abseits der Tränken der Tiere, sonst provoziert ihr ungewollte Nähe. Achtet auf Schilder, die Weide- oder Schutzhunde ankündigen, und nehmt rechtzeitig einen großzügigen Umweg, statt die Konfrontation zu suchen. Ein ruhiger Tonfall, wenig Gestik und ein konsequentes Fußkommando sorgen für Souveränität, auch wenn mehrere Tiere auf euch aufmerksam werden.

Die einzige Ausnahme von der Leinenpflicht gilt im Ernstfall, wenn eine Kuh euch wegen des Hundes bedrängt. Dann lasst den Hund los. Die Kuh konzentriert sich instinktiv auf ihn, der Hund kann ausweichen, und ihr zieht euch ruhig rückwärts aus der Linie der Tiere zurück. Diese Regel solltet ihr vorher besprechen und mental einmal durchspielen, damit im Moment der Entscheidung keine Hektik aufkommt. Danach ordnet ihr euch neu, gewinnt Abstand und wählt einen alternativen Wegabschnitt.

Schafe, Ziegen und Pferde: freundlich umgehen, Distanz wahren

Schaf- und Ziegenherden wirken friedlich, reagieren jedoch sensibel, wenn ihr euch zügig nähert oder der Hund nach vorn zieht. Haltet euch an den Rand der Herde, lauft in einem ruhigen Bogen und vermeidet enges Durchschlängeln zwischen Tieren. Herdenschutzhunde bewachen, sie spielen nicht. Bleibt stehen, zeigt die Hände, sprecht ruhig und ignoriert den Hund, dann zieht ihr euch seitlich aus seiner Zone zurück. Pferde sind neugierig und treten manchmal an Zäune heran, um zu schauen. Lasst es bei einem freundlichen Gruß aus der Distanz, keine Fütterung, kein Klettern auf Zäune, keine Kinder direkt an die Tiere. So bleibt die Weide ein sicherer Ort für alle.

Schafherde grast an einem Hügel bei Swyncombe
Sheep on a Hillside, Swyncombe. Foto: Des Blenkinsopp (Wikimedia Commons), Lizenz CC BY-SA 2.0.

Wildtiere beobachten: großartige Momente ohne Störung

Die magischsten Tierbegegnungen passieren leise. Früh am Morgen oder am späten Abend zeigen sich Steinböcke an Graten, Gämsen ziehen über Schutthänge, Murmeltiere pfeifen am Bau. Der Schlüssel ist Distanz. Ein Fernglas bringt euch näher, ohne die Tiere zu bedrängen. Bleibt unterhalb von Ruheplätzen, damit ihr keinen Steinschlag auslöst, und verlasst schnell Zonen, in denen ihr Wildtiere plötzlich aufscheucht. Füttern verändert Verhalten und schadet, deshalb bleibt das Picknick im Rucksack. Wenn ihr fotografiert, verzichtet auf das Annähern für den perfekten Winkel, eine ruhige Serie aus der Distanz wirkt später authentischer als jedes erzwungene Nahbild.

Gämse auf Felsvorsprung vor Alpenkulisse
Gämse in den Alpen. Foto: Balise34 (Wikimedia Commons), Lizenz CC BY-SA 4.0.
Alpenmurmeltier in Nahaufnahme im Nationalpark Vanoise
Alpenmurmeltier, Nationalpark Vanoise. Foto: Mfdernoncourt (Wikimedia Commons), Lizenz CC BY-SA 4.0.

Auch Begegnungen mit Schlangen oder Wildschweinen lassen sich gelassen lösen. Auf warmen Steinen sonnen sich Schlangen in Ruhe, ihr gebt ihnen Zeit zum Zurückweichen und umgeht die Stelle mit Bedacht. Bachen mit Frischlingen meidet ihr konsequent. In dichtem Unterwuchs macht ihr euch bemerkbar, damit es nicht zu Schreckmomenten kommt. Das Ziel ist immer dasselbe: Ihr wollt beobachten, nicht eingreifen, und die Tiere sollen nach eurem Vorübergehen einfach weitermachen, als wärt ihr nie da gewesen.

Gesund unterwegs: Zecken, Hitze, kleine Checks mit großer Wirkung

Gesundheit beim Wandern beginnt bei kluger Vorbereitung. Helle, lange Kleidung macht Zecken sichtbar, Hosenbeine in den Socken und geschlossene Schuhe reduzieren den Kontakt mit hohem Gras. Ein Repellent auf unbedeckte Hautstellen verstärkt den Schutz, unterwegs tragt ihr es bei Bedarf erneut auf. Nach der Tour prüft ihr Beine, Kniekehlen, Leisten und Nacken. Entdeckte Zecken entfernt ihr hautnah und gerade mit Karte oder feiner Pinzette, desinfiziert die Stelle und beobachtet die Haut in den Folgetagen. Bei ringförmiger Rötung oder grippeähnlichen Beschwerden holt ihr ärztlichen Rat ein. Gegen Hitze helfen frühe Startzeiten, Schattenpausen, salzige Snacks und regelmäßiges Trinken, am besten bevor der Durst einsetzt.

Auch kleine Routinen bringen große Sicherheit. Bevor ihr eine Weide betretet, atmet einmal bewusst aus, nehmt die Umgebung auf und einigt euch in der Gruppe auf ein klares Vorgehen. Während der Passage bleibt ihr zusammen, redet leise, lasst Hund und Kinder an der Außenseite gehen und überprüft am Ende, ob das Gatter wieder geschlossen ist. Diese wenigen Sekunden Aufmerksamkeit sparen euch Stress und sorgen dafür, dass nachfolgende Wandernde ebenso entspannt weiterziehen können.

Kurzanleitung: eine Herde umsichtig passieren

Zuerst beobachten, dann handeln. Stellt euch seitlich auf, sucht den größten Raum und peilt eine weite Linie am Herdenrand an. Geht in ruhigem Tempo los, ohne innezuhalten oder zu rennen, und vermeidet es, zwischen Kuh und Kalb zu geraten. Wenn ein Tier frontal auf euch zuläuft, nehmt frühzeitig den seitlichen Ausweg, behauptet keinen Vorrang und reduziert Blickkontakt. Mit Hund bleibt die Leine kurz, nur im Ernstfall lasst ihr ihn los und zieht euch rückwärts aus der Zone. Hinter dem Gatter atmet ihr durch, schaut zurück, ob alles ruhig ist, und setzt die Tour gesammelt fort. So bleibt die Alm ein gemeinsamer Lebensraum, auf dem sich Mensch und Tier respektvoll begegnen.

Wenn ihr euch an diese einfachen Prinzipien haltet, verwandeln sich Begegnungen mit Kühen, Schafen, Ziegen und Wildtieren von möglichen Stressmomenten in die Highlights eurer Wanderungen. Ihr lest die Landschaft wie eine Karte, erkennt früh, wann ihr Raum gebt, und genießt den Weg mit dem guten Gefühl, richtig zu handeln. Packt Neugier, Ruhe und ein Fernglas ein, dann werden aus zufälligen Sichtungen kostbare Augenblicke, an die ihr euch lange erinnern werdet.

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